Vom Traum vom Fliegen zum Tod aus der Luft


Hans-Dieter Hey, 16.05.2022

Es will nicht so recht in das Format von R-medibase passen. Doch man muss den Bogen hinbekommen. Zudem ist es für unser kulturelles Format wichtig wegen der historisch seltenen Originalabzüge für unsere Rubrik „Museum für Zeitgeschichte“. Worum geht es?

Der Traum vom Fliegen hat die Menschheit seit langem beschäftigt. Die Überlistung der Gravitation, das Lösen vom beschwerenden Boden menschlichen Daseins, frei sein, über allem zu schweben und unbeschwert und friedlich wie eine Taube. Geträumt auch von unzähligen Kindern, die geschenkte Flugzeuge aus Pappe bemalt, geklebt, gesteckt oder als Kunststoff an Heftzwecken an der Decke festgemacht haben. An durchsichtigen Nylonfäden, damit sie nicht hingen sondern den Eindruck des Schwebens vermittelten. Weiter im Text hier!


Anmerkung administration: folgende Galerie auf Standard umgestellt

Die ersten Gedanken dazu waren aufgezeichnet und erfolglos probiert von Leonardo Da Vinci im Jahr 1463 als „Tragschraube“. Im 19. Jahrhundert gewann Otto Lilienthal die Erkenntnisse zur Aerodynamik. Im Jahr 1889 veröffentlichte ein Buch: „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“. 1894 gelangen schon Gleitentfernungen von 250 Metern. Wichtiger für die Entwicklung waren die Gebrüder Wright mit ihren ersten Motorflügen im Jahr 1903, zunächst 12 Sekunden für schlappe 37 Meter. Schon zwei Jahre später schafften sie 40 Kilometer. Der Durchbruch für mehr war gelegt.

Schnelles Aus für das friedliche Fliegen

Soweit die Träume. Doch sehr bald schon – beginnend im Jahr 1914 – war es mit den „Männern in ihren fliegenden Kisten“ vorbei, und der schöne Menschheitstraum gelangte in den Blick militärischer Männerträume. Bereits im I. Weltkrieg wurden Flugzeuge mit Maschinengewehr und Bomben bestückt – vorgesehen zur Zermürbung der zivilen Bevölkerung. Die Bomben waren für die Menschen so gefährlich wie für die Flieger. Nur wenige überlebten.

Gehen wir zurück zu den Anfängen, zu unseren historischen Fotografien des Flugzeugbaus in Österreich. Die Bilder stammen aus der Fabrikation der Wiener Neustadt, wo sich Produktion und Flugfeld befanden. Vor dem Ersten Weltkrieg versuchten sich in Österreich ungefähr ein halbes Dutzend Unternehmen im Flugzeugbau, die fast alle wieder aufgeben mussten.

Aufgeben war für den Flugzeugkonstrukteur Igo Etrich keine Option. Im April 1910 führte er der erstaunten Öffentlichkeit in der Wiener Neustadt den Jungfernflug seines berühmten Modells Etrich II „Taube“ vor. Eine einfach, stabile, wenn auch nicht sehr wendige Möglichkeit, eine Zeit lang in der Luft zu bleiben. Die Nachfrage nach diesem Flugzeug stieg schnell steil an und wurde ab 1910 in der Wagenfabrik von Ludwig Lohner (Wien) in Serie gefertigt und Patente für Österreich-Ungarische Monarchie an die Motorluftfahrzeuggesellschaft (MLG) verkauft. Sie wurde von dem Triester Unternehmer Camillo Castiglioni im April 1909 zusammen mit der österreichischen Daimler Motorengesellschaft gegründet.

Frühes Profitinteresse von Daimler und Porsche mit Militärflugzeugen

Die ersten österreichischen Flugzeugmotoren für Daimler wurden von Ferdinand Porsche entwickelt. Es kam zu einer engen Verbindung zwischen MLG und Lohner. Hohe Gewinnmargen frohlockten. Die erfolgreichen Modelle „Pfeilflieger“ und bereits Wasserflugzeuge wurden für die Marine produziert. Der Spekulant Camillo Castiglioni und der von Deutschland nach Österreich geflüchtete Deserteur und Wagenmacher Ludwig Lohner gründeten die Ungarische Flugzeugwerke AG (Ufag) und expandierten damit in den Jahren 1914 und 1915 auch im Deutschen Reich. Aus drei Werken entstand die „Hansa-Brandenburgische Flugzeugwerke AG“ mit Monopolstellung im österreichischen Flugzeugbau.

Schnell stieg die Begehrlichkeit des Militäres, die dadurch befriedigt wurde, dass sich schließlich mehrere Flugzeugwerke in Österreich-Ungarn etablierten. Eine Übersicht: 1914: Albatros – Phönix (ursprünglich Tochterunternehmen der deutschen Albatroswerke, ab 1915/16 unter Kontrolle von Castiglioni, 1917 in Phönix Flugzeugwerke AG umgewandelt), 1914: Österreichisch-Ungarische Flugzeugfabrik Aviatik GmbH (Wien, Tochterunternehmen der deutschen Aviatik AG), 1914: Ungarische Lloyd Flugzeug- und Motorenfabrik AG (Ungarn, Tochterunternehmen der Deutschen Flugzeugwerke – DFW), 1914: Thöne & Fiala (Wien), 1915: Oeffag – Oesterreichische Flugzeugfabrik AG (Wiener Neustadt, eng mit dem Skoda-Konzern verbunden), 1886/1916: MAG – Ungarische Allgemeine Maschinenfabrik (Flugzeugbau ab 1916) und 1913/16: WKF – Wiener Karosserie- und Flugzeugfabrik Dr. Wilhelm von Gutmann (Flugzeugbau ab 1916). Damit begann das erste Wettrüsten der Weltgeschichte in der Luftfahrt.

Die Fotografien stammen aus dem Archiv unseres Mitglieds Dr. Anton Safer. Gesammelt wurden sie von Dipl.-Ing G. Faukal, der in den Flugtechnikwerken in der Wiener Neustadt beschäftigt war und ihm diese übeließ. R-mediabase wird das gesamte fotografische Konvolut dem Heeresgeschichtlichen Museum Wien, HGM, zu Verfügung stellen, das mit dem Spruch „Kriege gehören ins Museum“ wirbt.

Weiterführende Informationen:

Gutsjahr, Martin: Die Rüstungsunternehmen Österreich-Ungarns vor und im Ersten Weltkrieg, Dissertation an der Universität Wien, Wien 1995
Heinkel, Ernst: Stürmisches Leben, Oberhaching 1998
Keimel, Reinhard: Luftfahrzeugbau in Österreich. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Enzyklopädie, Oberhaching 2003
Steinböck, Erwin: Lohner zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Die Geschichte eines industriellen Familienunternehmens von 1823 bis 1970, Graz 1982
Stiefel, Dieter: Camillo Castiglioni: oder Die Metaphysik der Haifische, Wien 2013
Treadwell, Terry C.: German and Austro-Hungarian Aircraft Manufacturers 1908-1918, Chalford 2010