Worum geht es ?
Die Tarifauseinandersetzung bei der „Universitätsmedizin Göttingen Klinik Service GmbH“ (UMG KSG) ist von der Größenordnung her im Vergleich zu denen für die Beschäftigten bei der Post oder bei Bund und Gemeinden eine Nebensache. Wichtig ist sie über den Ortsrahmen hinaus deshalb, weil es hier um eine „Ausgründung“ geht, die dem funktionalen Unternehmer UMG die „Tarifflucht“ aus dem Tarifvertrag der Länder (TV L) ermöglichte. Verschiedene Bereiche wurden aus der UMG ausgegliedert, obwohl ohne sie kein Klinikbetrieb möglich ist. Es ging der UMG ausschließlich darum, (bisher) vertretungsschwache Beschäftigtengruppen im Lohn zu drücken, und die UMG hatte damit Erfolg, denn für alle Neueingstellten nach der Ausgründung gilt der TV L ja nicht mehr. 2018 gelang es den verdi-Beschäftigten bei der UMG KSG, einen ersten Tarifvertrag abzuschließen. Jetzt geht es darum, sich gegen die durch die Preissteigerungen ausgelösten Reallohneinbußen zu verhindern und einen Schritt zur Rückkehr in der TV L zu machen.
Eine solche Situation ist in der Bundesrepublik nicht selten und trifft gerade die Beschäftigten, die für niedrige Einkommen arbeiten.
verdi: Pressemittteilung vom 13. Januar 2023:
Massive Leistungseinschränkungen erwartet
Die Gewerkschaft ver.di kündigt für den 23.-27.01.23 einen fünftägigen Streik der Service- und Reinigungskräfte der Uniklinik und Universität an. Im Dezember hatten sich gut zweihundert Beschäftigte der Kliniktochter-GmbH an einem zweitägigen Ausstand beteiligt und mit großer Mehrheit den kommenden Streik beschlossen, sollte die UMG Klinikservice GmbH ihr Angebot nicht deutlich nachbessern.
Die Beschäftigten erwarten die Angleichung ihrer Arbeitsbedingungen an die regulären, für nahezu alle UMG-/Uni-Beschäftigten geltenden Konditionen des Tarifvertrags des Länder (TV-L). Sie fordern als Zwischenschritt aber mindestens eine 20%ige Lohnerhöhungen sowie Verbesserungen bei anderen Tarifbestandteilen. Die UMG-Tochter bietet bislang +4% für 2023 und +3,85% für 2024 sowie geringe Einmalzahlungen (je 500 Euro für 2022, 2023 und 2024). Der letzte Tarifvertrag ist schon Ende Januar 2022 ausgelaufen. „Bei der hohen Inflation läuft dies auf massiven Kaufkraftverlust der Beschäftigten hinaus. Das ist angesichts der harten Arbeit unangemessen und respektlos. Kein*e Niedrigverdiener*in kann sich das leisten“ erklärt Stephanie Mitbauer, Reinigungskraft auf einer Intensivstation und in der ver.di-Verhandlungsdelegation.
Die Gewerkschaft hatte der UMG schon vor Weihnachten die Streikwoche angekündigt. So will sie der UMG ermöglichen, entweder das Angebot deutlich nachzubessern oder sich frühzeitig auf den Streik einzustellen. D.h. vor allem die Planungen der Operationen, wie auch die Belegung auf den Stationen an den angekündigten Streik anzupassen.
Thilo Jahn, zuständiger ver.di-Gewerkschaftssekretär in Göttingen: „Bei 40 offenen Stellen in der Tochterfirma ist die hygienische Situation ohnehin schwierig. Schon unter normalen Umständen werden die Hygienevorgaben immer wieder nach unten an den geringen Personalbestand angepasst. Bei zusätzlichen Lücken in der Streikwoche, können daher aus unserer Sicht nur Notfälle behandelt oder operiert werden. Es ist aus unserer Sicht unverantwortlich, wenn die UMG wie im letzten Jahr versucht, das Normalprogramm auch an den Streiktagen ohne Reduzierung durchzuziehen. Wenn ich persönlich in der Situation wäre, würde ich versuchen, die UMG in der Streikwoche zu meiden.“
Die Gewerkschaft kündigt an, einen Notdienst einzurichten. Ver.di wird sich dabei an dem Niveau des Notdienstes aus dem Streik 2018 orientiert oder die niedrigste tatsächlich vorgekommene Besetzung des letzten Jahres zur Grundlage nehmen. Der Notdienst reicht, um tatsächliche Notfälle zu versorgen, nicht aber, um das normale Versorgungsniveau aufrecht zu erhalten.
Ver.di bedauert die Auswirkungen des Streiks auf die Patient*innen und die Gesundheitsversorgung der Region. Patrick von Brandt, Verhandlungsführer für den ver.di-Landesbezirk sieht „für die Kolleg*innen jedoch keine andere Möglichkeit, für Verbesserungen einzutreten.“ Der Streik sei kurzfristig sicherlich eine Belastung für alle Beteiligten. Aber langfristig helfe er, ein weit größeres Problem zu lösen. Denn jedes Jahr infizieren sich nach Angaben des RKI 400.000 – 600.000 Menschen im Krankenhaus, 10.000 – 20.000 sterben deshalb pro Jahr (zum Vergleich: 2.790 Verkehrstote in 2022).
Die Beschäftigten in der Reinigung und Versorgung, im Transportdienst, in der Wäscherei seien daher von zentraler Bedeutung für die Gesundheitsversorgung. „Sie in eine Tochtergesellschaft auszugrenzen und mit Niedriglöhnen abspeisen zu wollen, führt dazu, dass allein bei der UMG Klinikservice 40 Stellen unbesetzt sind und ständig eine hohe Fluktuation herrscht“ kritisiert Daniel Wölfer, Vorsitzender des Betriebsrats.
Am Montag findet eine weitere Verhandlungsrunde statt. Jens-Andreas Schmidt, beschäftigt im zentralen OP und Mitglied der ver.di-Verhandlungsdelegation betont die Verhandlungsbereitschaft der Gewerkschaft: „Selbstverständlich hoffen wir auf ein deutlich nachgebessertes Angebot. Ein gutes Angebot kann den Streik auch abwenden. Mittlerweile haben Politiker der Linken und sozialdemokratische und grüne Landtagsabgeordnete aus der Region den Beschäftigten ihre Solidarität erklärt. Wir hoffen daher, dass der UMG nun endlich der eigenen Tochterfirma den notwendigen Spielraum einräumt, um ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen. Tut sie das nicht, trägt sie allein die Verantwortung für die Eskalation des Tarifkonfliktes. Die Kolleg*innen sind jedenfalls entschlossen, ihren ohnehin bescheidenen Lebensstandard zu verteidigen.“
ver.di kündigt eine Woche Streik an der UMG an (Bilder)
Zwischenkundgebung auf dem Campus der Universität Göttingen
Reinigungskräfte der UMG-KSG arbeiten halten auch Räumlichkeiten der Universität in Schuss – doch da sie zu Zeiten arbeiten, in denen der Unibetrieb ruht, sind sie für Studierende und Lehrende „unsichtbar“. Um so wichtiger ist es, im Streik sichtbar zu werden. Eine Hochschullehrerin und ein Vertreter einer Initiative, die für einen Tarifvertrag für studentische Hilskräfte aktiv sind, sprechen zu den Streikenden.
Auf dem Weg durch die Stadt zum Streiklokal in der verdi-Geschäftsstelle
Solidarität mit den Beschäftigten der UMG KSG