Mit einem Tag der offenen Tür und breitem Programm feierte das Kölner NS-Dokuzentrum am 17.06.2023 eine nochmalige Erweiterung seiner Museumsfläche. 44 Jahre nach dem Gründungsbeschluss der Stadt Köln und 34 Jahre nach dem Einzug in die ersten Räumlichkeiten ist die ehemalige Kölner Gestapo-Zentrale am Appellhofplatz nun vom Keller bis zum 4. Stock als Museum und Geschichtswerkstatt öffentlich zugänglich./ Weiter nach dem Bilderblock!
Eine Foto-Aktion gab den Anstoß: im März 1979 ließen sich zwei Aktivisten heimlich in den ehemaligen Arrestzellen im Keller des Gebäudes einschließen und fotografierten die Inschriften und Wandzeichnungen der bis 1945 dort zu Verhören inhaftierten politischen Gefangenen und Zwangsarbeiter. Schrittweise wurde dann in den folgenden Jahren das nach dem Krieg als Amtssitz für diverse städtische Behörden genutzte Haus für die geschichtliche Aufarbeitung der NS-Diktatur umgestaltet.
Nun wurden auch die beiden obersten Stockwerke als „Erzählcafé“, Lern- und Workshopräume für das NS-DOK eingerichtet. Neu hier dazugekommen ist auch das „Junge Museum“ für Familien mit Kindern ab acht Jahren. Schulklassen können hier in einem etwa 2-stündigen Workshop anhand von Lebensgeschichten damaliger Jugendlicher die Zeit nachempfinden.
Das neue Erzählcafé wurde am Festtag sogleich vielfach für Vorträge und eine Buchvorstellung genutzt. Die Journalistin Petra Pluwatsch las dabei vor großem Andrang Auszüge aus ihrem Buch „Verfolgt und nicht vergessen – Geschichten hinter den Stolpersteinen“ vor.
Die messingfarbenen, pflastersteingroßen Gedenksteine sind mittlerweile in ganz Deutschland und 26 weiteren Ländern Europas verbreitet. Sie sind ein Projekt des Künstlers Günter Demnig und erinnern an Menschen, die das NS-Regime verfolgt, deportiert oder in den Suizid getrieben hat. Meist sind sie im Boden vor dem letzten Wohnort dieser Opfer eingelassen. Mittlerweile gibt es an die 100.000 – sie bilden damit das größte dezentrale Mahnmal der Welt.
Die Gedenksteine enthalten zwangsläufig nur kurze Personenangaben: Name, Jahr und Ort der Geburt und des Todes und einige Stichworte zum Schicksal. Erika Pluwatsch hat sich 15 dieser Leidenswege vorgenommen und die Details hinter den Kurzbiografien ans Licht gebracht: neben Juden wird hier auch das Leben von Sinti, einem Homosexuellen, einem Deserteur und verschiedener politisch Verfolgter exemplarisch nachgezeichnet.
Drei Jahre lang wälzte sie dafür Verhörprotokolle, sonstige amtliche Aktenvermerke, suchte nach Hinterbliebenen, befragte diese und wertete Briefe der Opfer aus, die noch im Besitz der Angehörigen waren. Heraus kam so ein Werk über 250 Seiten (Hardcover, Metropol-Verlag, 22 €).
Wie der Rechtsextremismus immer noch das heutige gesellschaftliche Klima belastet, zeigt im NS-DOK derzeit die Sonderausstellung „Un-sichtbarer Terror: Orte rechter Gewalt in Deutschland“. Hier zeigt der Fotograf Mark Mühlhaus mehr als 30 Orte in ganz Deutschland, an denen im Verlauf von 70 Jahren seit Gründung der BRD rassistische oder antisemitische Taten von Rechtsterroristen, Neonazis, Skinheads und gewaltbereiten rechten Jugendlichen verübt wurden – und die es oft nicht ins Bewusstsein der bundesweiten Öffentlichkeit brachten. Nicht Ortsnamen wie Hoyerswerda, Mölln oder Solingen sind hier aufgezeigt, sondern z. B. Eisenach, Obhausen und Wald-Michelbach.
Das Abendprogramm leitete dann der deutsch-türkische Rapper Eko Fresh mit Texten zur Migration und Identifikation als „Drittgenerationsler“ ein, gefolgt von Musik durch DJ Philip Jondo.
NS-Dokumentationszentrum Köln, Appellhofplatz 23, Info in acht Sprachen unter: nsdok@stadt-koeln.de, Tel. 0221-2212-6331/2, ÖPNV-Station Appellhofplatz (U-Bahnlinien 3, 4, 5, 16 und 18).