Krieg in der Ukraine – Versuch einer Momentaufnahme – Pt1


Am 14. März fand eine Veranstaltung der Volkshochschule Köln zum Überfall der Russischen Föderation auf den unabhängigen Staat Ukraine statt. Der schwerste Konflikt seit dem Jugoslawienkrieg 1991/1992, der für den „Westen“ weder militärisch, noch diplomatisch, noch moralisch gelöst werden konnte. Er war auch eine Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion und des Abfalls ihrer Satellitenstaaten, die mehrheitlich mit Russland nichts mehr zu tun haben wollten. Es folgt ein Auszug aus der Veranstaltung. Einige historische Randbemerkungen hier!

Hier die auf 28 Minuten gekürzte Veranstaltung. Die gesamte Veranstaltung von ca. 1 1/2 Std. am Ende dieses redaktionellen Textes.

Historische Randbemerkungen

Die Gründe für den Abfall von alter russischer Macht bleiben heute oft unerwähnt. Sowjetunion bzw. Russland brauchen sich hinter der hierzulande zumeist von Linken betonten westlichen (NATO-)Aggression nicht zu verstecken. Insgesamt 32 Kriege seit 1933– und wahrscheinlich reicht das noch nicht – haben UDSSR bzw. Russische Föderation bis jetzt vom Zaun gebrochen – oft gegen die eigene Bevölkerung. Nicht zu vergessen der „Prager Frühling“ 1968 und die russischen Panzer in der DDR 1953.

Historische Ereignisse prägen das Nationalbewusstsein

In den Jahren 1928-1941 gab es den Stalinterror mit mindestens 9 Mio. Opfern in der eigenen Bevölkerung, das muss ebenso erwähnt werden wie der im historischen Gedächtnis der Ukraine fest eingebrannte Begriff “Holodomor”. Durch Stalins Terror in den 1930er Jahren wurden zwischen drei und sieben Millionen Menschen dem Hungertod überlassen. Theoretiker streiten sich, ob dies ein Völkermord war.

Nach solchen Ereignissen besteht die Gefahr, dass daraus auch wenig hilfreicher Nationalismus erwächst, der auf dem Maidan in Kiew 2014 eine unrühmliche Rolle spielte, aber letztlich für die weitere Entwicklung in der Ukraine nicht ausschlaggebend war. Die gleichen Nationalisten findet man übrigens auch in Polen, das mit der Ukraine eine gemeinsame Geschichte hat.

Historische Ereignisse von solcher Tragweite wirken nachhaltig und werden von den Menschen nicht so schnell vergessen. Auch dies sind Gründe für den Abfall vom toxischen Erbe der Sowjetunion und der Russischen Föderation und dem Ruf nach Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung. Das solche Entwicklungen russischen Großmachtinteressen und Allmachtphantasien zuwider liefen, war nicht überraschend.

Der neue Zar

Nach zu kurzem politischen Tauwetter haben wir es nun mit einem neuen russischen Despoten und Lügner zu tun, der wegen Kriegsverbrechen mit seinen Schergen in Den Haag angeklagt ist und Wladimir Putin heißt. Mit jüngeren Kriegen gegen die eigenen bedrohten Völker in Tschetschenien oder Georgien geht Putin mit Streu- und Phosphorbomben und anderen brutalen Mitteln in erschütternder Weise gegen Zivilisten, Schulen oder Krankenhäuser vor und zeigt damit die widerlichste Fratze menschlicher Kreatur. Auch das bleibt im Gedächtnis der Menschen haften, und auch, dass diese Kriege vom „Westen“ in Kauf genommen wurden, denn Krieg sollte offenbar die guten Geschäfte nicht stören.

Die inneren und äußeren Feinde vernichten

Putin ist ein Despot, behaftet mit eigenem Geschichtsnarrativ, gepaart mit völkischem Wirrsinn und brutaler Unterdrückung im eigenen Land. Ein Mann offenbar mit Cäsarenwahn – übrigens der Ursprung des Wortes Zar. In dem Film „Iwan der Schreckliche“ von 1943 von Sergei Michailowitsch Eisenstein, der momentan überall in Russland begeistert gesehen wird, sagt der Tyrann: „Da wir die inneren Feinde vernichtet haben, können wir den Kampf gegen die äußeren Feinde beginnen“. Das ist die Geschichte des Diktators Wladimir Putins, an der er 20 Jahre gearbeitet hat. Man hätte 1991 aufhorchen können, als Putin vor deutschen Industriellen ganz ernsthaft meinte, er könne sich für Russland eine Diktatur wie unter Pinochet durchaus vorstellen. In Russland gibt es wenig Widerstand dagegen – die lange Tradition der Unterdrückung zeigt offenbar Wirkung.

Nun haben wir den Salat und Putin droht uns mit dem 3. Weltkrieg durch seine Hyperschall-Atomwaffen. Diplomatische Verhandlungen sind für den Lügner Putin keine Angelegenheit. Die Veranstaltung in der Volkshochschule am 14. März hat einmal mehr gezeigt, wie letztlich hilflos man ist, einen Despoten an den zivilen diplomatischen Verhandlungstisch zu bekommen, wenn dieser der anderen Seite die Pistole an den Kopf hält. (15.03.2022, Kommentar: Hans-Dieter Hey)

PS: Nicht nur wegen der Vollständigkeit soll der „Große Vaterländische Krieg“ gegen Adolf Hitler erwähnt werden, in dem vor allem die UDSSR und US-Amerika – dankenswerter Weise – uns vom faschistischen Joch befreite.

Hier die komplette Veranstaltung, eine gekürzte Fassung auf 24 Minuten folgt am späten Nachmittag:

 

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Mit:
Kristin Helberg ist freie Journalistin und leitet die Diskussion mit:

Ivo Georgiev, Leiter des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Kiew. Er hat Kontakt zu zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort. Die Mitarbeiter*innen seines Büros sind unmittelbar vom russischen Angriff betroffen

Andreas Zumach, freier Journalist und Auslandskorrespondent der taz. Er hatte den Prozess der Auflösung der UdSSR und der Warschauer-Pakt-Staaten von Anfang an begleitet.

Es kooperieren:
Volkshochschule Köln, Rosa Luxemburg Stiftung NRW, Melanchthon Akademie Köln, Friedensbildungswerk Köln, Katholisches Bildungswerk Köln, Karl Rahner Akademie Köln sowie der Städtepartnerschaftsverein Köln – Wolgograd.

Startfoto:

Russisches Staatsfernsehen: für Putin unwillkommener Protest, Nach Angaben einer Menschenrechtsgruppe wurde die Frau verhaftet und wird sich wohl unter anderem wegen Diskreditierung der Streitkräfte verantworten müssen. Sie sagte, dass sie sich dafür schäme, jahrelang Kreml-Propaganda verbreitet zu haben. Ihr Vater sei Ukrainer, ihre Mutter Russin. Was derzeit in der Ukraine passiere, sei ein Verbrechen und Russland sei der Aggressor. (RND) Video: © Reuters