Start | Rubriken | Frieden | Göttinger Friedensforum: Kundgebung gegen Krieg und Aufrüstung am 16. Juli 2022

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Das Göttinger Friedensforum ruft auf zu einer Kundgebung gegen Aufrüstung und Krieg:
Am Samstag, dem 16.7. 22, um 12.00 Uhr vor dem Alten Rathaus.
Wir fordern ein Ende des völkerrechtswidrigen Krieges in der Ukraine.
Unser Protest richtet sich gegen das im deutschen Grundgesetz verankerte Aufrüstungspaket von 100 Milliarden Euro und das 2%-Ziel des jährlichen Rüstungshaushalts der Bundesregierung. Die Aufrüstungspolitik ist grundfalsch und hochgefährlich, weil sie bedeutet, die gesellschaftliche Krise mit Militarismus zu beantworten, statt mit sozialem und ökologischem Fortschritt.
Die u.a. auf der Einkaufliste deutschen Militärs stehenden F35-Tarnkappenbomber und Drohnensysteme sind Kriegsgerät, das die atomare Teilhabe Deutschlands (Modernisierung der in Büchel gelagerten Atombomben der Nato) verstetigen wird.

Diese Aufrüstung wird den verheerenden Krieg in der Ukraine weder stoppen noch verkürzen. Vielmehr hat das globale Wettrüsten der vergangenen Jahre die verschärfte Konfrontation der großen Machtblöcke mit verursacht und eskaliert diese weiter.

 

Auf ihrem Gipfeltreffen Ende Juni in Madrid erklärte die Nato Russland zu ihrer „bedeutendsten und unmittelbarsten Bedrohung“ und richtet ihr neues Streitkräftemodell auf die weitere Massierung militärischer Kräfte an ihrer Ostflanke aus. Dies geht aus dem neuen Strategischen Konzept und dem neuen Streitkräftemodell hervor. Zudem sollen künftig nicht mehr 40.000, sondern mehr als 300.000 Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft gehalten werden.

Die Nato setzt auf weitere Konfrontation im Ost-West-Konflikt, statt auf nachhaltige Entspannung und gemeinsame Sicherheit in Europa. Der Krieg Russlands in der Ukraine wird als Vorwand benutzt, die Rüstungsausgaben des westlichen Bündnisses vom bisher schon 18fachen des russischen Militäretats massiv weiter zu steigern.
Diese Aufrüstung ist gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung weltweit gerichtet. Sie geht einher mit gesteigert unsozialer und autoritärer Politik. Die ohnehin enorme Ungleichheit wächst weiter. Profiteure sind die Chefetagen von Banken und Rüstungskonzernen.

Die Kriegslogik, die durch eine drohende Ausweitung des Ukraine-Krieges mit der Gefahr eines atomaren Infernos droht, muss durch eine Friedenslogik der Kooperation und der Abrüstung abgelöst werden. Ein Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine, die Vermittlung eines Waffenstillstands und der Beginn von Friedensverhandlungen (z.B. im Sinne des von der italienischen Regierung im Mai 2022 der G7 vorgelegten, in den Medien weitgehend ignorierten Friedensplans) sind das Gebot der Stunde.

Mit besten Grüßen,

Ecki Stedeler (Göttinger Friedensforum)

 


Redebeitrag des Göttinger Friedensforum zur Kundgebung am 16.7.22

Ecki Stedeler

1. die Vorschläge für einen Frieden in der Ukraine
2. die Ergebnisse des Nato-Gipfels im Juni in Madrid im Zusammenhang mit
der Verankerung 100 Mrd. „Kriegskredite“ im deutschen Grundgesetz

Zu den Vorschlägen für einen Frieden in der Ukraine

Der Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine ist ein völkerrechtswidriger
Krieg, der durch nichts zu rechtfertigen ist.
Zugleich muss dennoch die Vorgeschichte dieses Krieges betrachtet werden,
nicht um diesen Krieg zu relativieren, sondern um die Möglichkeiten zur
Beendigung des Gemetzels zu erkennen und Vorschläge für eine nachhaltige
Friedensordnung in Europa entwickeln zu können. Und auch, um Fehler der
Vergangenheit in Zukunft zu vermeiden.
Westliche Politik und Medien blenden diese Vorgeschichte größtenteils aus;
denn sonst würde vielen Menschen klar, dass dieser Krieg zu verhindern
gewesen wäre, und dass es auch jetzt noch Alternativen zur weiteren Eskalation
gibt.

Eine Lösung des Krieges in der Ukraine wird aktuell den Waffen überlassen
unter Inkaufnahme ermordeter Menschen, zerstörter Städte sowie einer
erheblichen Umweltbelastung. Die Folgen des Ukraine-Kriegs haben globale
Auswirkungen in Form von Inflation und einer Nahrungsmittelkrise mit
dramatischen Folgen weltweit.

Die direkten Verhandlungen zwischen der russischen und der ukrainischen
Regierung sind derzeit zum Erliegen gekommen. Die am Krieg Beteiligten
sollten dennoch alle Bemühungen darauf konzentrieren, nach Lösungen jenseits
des Krieges zu suchen – zunächst einen Waffenstillstand, dann eine
Friedensordnung. Wo immer man hinhört, vernimmt man: Putin ist zu
Verhandlungen nicht oder noch nicht bereit. Das stimmt, ist aber kein
unumstößlicher Zustand.
Immer drängender stellt sich die Frage, warum der Westen dem Krieg in der
Ukraine mit Waffenlieferungen bedingungslos Vorschub leistet, statt auf
Waffenstillstand und Verhandlungen zu drängen.
Basis solcher Friedensverhandlungen könnten die Vorschläge sein, die der
italienische Außenminister Di Maio im Mai 2022 dem UN-Generalsekretär
Guterres vorgelegt hat. In den meisten deutschen Medien tauchte dieser
Friedensplan so gut wie nicht auf.


Ich möchte die vier Schritte des italienischen Friedensplans deshalb in aller
Kürze hier vorstellen:

Im 1. Schritt geht es um Verhandlung eines Waffenstillstands bei gleichzeitiger
Entmilitarisierung der Kampfzonen und der Einrichtung internationaler
Kontrollmechanismen.

In einem 2. Schritt wird in einer Friedenskonferenz über die Einrichtung des
neutralen Status der Ukraine verhandelt, der mit internationalen Verträgen im
Sinne einer Schutzgarantie abzusichern ist.

In Schritt 3 erfolgt ein bilaterales Abkommen zwischen Russland und der
Ukraine über den Status der umkämpften ukrainischen Gebiete: Weitgehende
Autonomie der Krim und der Gebiete des Donbass in den nationalen Grenzen
der Ukraine. Klärung der Fragen des freien Zugangs, des freien Handels und des
Zahlungsverkehrs sowie kultureller und sprachlicher Rechte.

Schließlich erfolgt im 4. Schritt unter der Regie der OSZE die Verhandlung
eines multilateralen Abkommens über einen europäischen Sicherheitspakt, der
auch die Beziehungen zwischen der EU und Russland regelt. Inhalte dieses
Vertrages wären internationale Abrüstung und Rüstungskontrolle,
Sicherheitsgarantien, Konfliktprävention sowie der Abzug der russischen
Truppen aus den besetzten ukrainischen Gebieten. Im Rahmen dieser
Maßnahmen könnten die Sanktionen gegen Russland Schritt für Schritt
zurückgenommen werden.

Erwähnenswert ist, dass dieser Friedensplan Italiens u.a. Vorschläge enthält, die
die Ukraine bereits am 29. März der russische Delegation in Istanbul übergaben.
Darin war der Kernpunkt für eine Verständigung eine militärische Neutralität
der Ukraine zwischen den Westmächten und Russland.
Dazu ein Zitat aus dem Österreichische Rundfunk ORF vom 27. März:
„Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski hat heute Abend erklärt, dass
er bei dementsprechenden Sicherheitsgarantien vonseiten Russlands bereit sei,
über eine Neutralität und einen nicht nuklearen Status seines Landes zu
sprechen.“
Warum wurden diese diplomatischen Ansätze damals nicht weiter intensiviert?

Zu den Ergebnissen des Nato-Gipfeltreffens in Madrid und zur Verankerung von
100 Mrd Euro „Kriegskrediten“ im deutschen Grundgesetz

Im Kontrast zu dem erwähnten italienischen Friedensplan stehen die Ergebnisse
des Nato-Gipfeltreffens, das Ende Juni in Madrid stattfand.
Im bisherigen strategischen Konzept von 2010 betrachtete das westliche
Militärbündnis Russland noch primär als Partner. Jetzt erklärt die Nato in
Madrid Russland zu ihrer (Zitat) „bedeutendsten und unmittelbarsten
Bedrohung“ und richtet ihr neues Streitkräftemodell auf die Massierung
militärischer Kräfte an ihrer Ostflanke aus.

Im Lichte der sich weiter verschärfenden Konflikte mit Russland will die Nato
den Umfang ihrer Schnellen Eingreiftruppe (NATO Response Force, NRF) auf
mehrere hunderttausend Soldatinnen und Soldaten verstärken. Künftig sollen
nicht mehr 40.000, sondern mehr als 300.000 von ihnen in hoher
Einsatzbereitschaft gehalten werden.

Die Bundeswehr wird, wie Verteidigungsministerin Christine Lambrecht
mitteilte, rund 15.000 Soldatinnen und Soldaten für das neue Streitkräftemodell
bereithalten. Teil davon ist offenkundig die NATO-Battlegroup im litauischen
Rukla – damit stünde Litauen als potenzielles Operationsgebiet der Bundeswehr
im Falle eines Krieges fest. Wie brandgefährlich die geostrategische Lage
gerade Litauens ist, zeigte sich jüngst, als Litauen eine Zeit lang Bahntransporte
Russlands in ihre Enklave Kaliningrad unterband. Das hätte zu einer
Ausweitung des Krieges auf den Nato-Staat Litauen führen können.

Für Deutschland bedeutet das Gipfeltreffen in Madrid, dass die im Grundgesetz
verankerten 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr wohl kaum zur
Finanzierung der dort beschlossenen ehrgeizigen Nato-Pläne ausreichen würden.
Die u.a. auf der Einkaufliste deutscher Militärs stehenden F35-Tarnkappenbomber und
Drohnensysteme sind aggressives Angriffskriegsgerät. Sie werden zudem die atomare
Teilhabe Deutschlands verstetigen. Eine Modernisierung der in Büchel gelagerten
Atombomben der Nato ist für das kommende Jahr geplant.

Die Aufrüstungspolitik der Nato-Staaten ist grundfalsch und hochgefährlich, weil sie
bedeutet, die globale gesellschaftliche Krise mit Militarismus zu beantworten, statt mit
sozialem und ökologischem Fortschritt.

Deshalb sagen wir „Nein“!

 Nein zu den Plänen einer weltweiten Militarisierung durch die Nato – die Nato
muss durch eine neue auf Entspannung beruhende Friedensordnung in
Europa und weltweit abgelöst werden!
 Nein
zu den im deutschen Grundgesetz verankerten
Kriegskrediten von 100 Mrd. Euro

Statt einer neuen Rüstungsspirale fordern wir Investitionen in die
existenziellen Probleme der Menschheit wie Hunger, Klima und Flucht.

Wir fordern ernsthafte internationale Bemühungen, den verheerenden
Krieg in der Ukraine auf diplomatischem Wege zu beenden.

 Hinweis:
-> Text zum italienischen Friedensplan
-> Positionspapier des Bundesausschuss Friedensratschlag vom Juni 22

Der Redebeitrag als PDF: Kundgebung (Ecki-16-7-22)