Endlich wieder politisch: CSD in Köln 2022


Gefühlt wie fünfmal Karnevalszug walzte sich am 3. Juli der „Christopher Street Day“ durch Köln. Eine unglaubliche Show von ungefähr 1,6 Millionen vor Lebenskraft sprudelnder Individuen, die mit dem Motto “Für Menschenrechte – Viele. Gemeinsam. Stark!”, hörbar, bunt und friedlich auftraten. Mit 170 Gruppen und Musikwagen. Ein offenbar noch nie dagewesenes Ereignis in dieser Stadt und eine der größten Ereignisse dieser Art in Europa! Weiter im Text hier!


Anmerkung administration: folgende Galerie auf Standard umgestellt

Der gemeinsam erlebte Spaß darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dabei um existenzielle politische Forderungen geht. Homosexuelle werden in 69 Staaten strafrechtlich verfolgt, in 11 Ländern droht sogar die Todesstrafe für Lesben und Schwule. Menschen verlieren ihre Rechte, werden unterdrückt und gesellschaftlich angefeindet und sind gezwungen, ein Leben am Rande der Gesellschaft zu führen, verfolgt von Hass, Erniedrigung und Erpressung.

Pure Menschenverachtung

Es handelt sich dabei vor allem um sogenannte „Pimmel-Staaten” mit rückwärtsgewandten, schwanzgesteuerten Machtzentren vor allem in arabischen Teilen der Welt, Afrika der Türkei mit ihrem Präsidenten Erdogan oder Russland und ihrem Präsidenten Putin mit ihren homophoben Hasstiraden. Eine Frage auch für europäische Staaten wir Polen oder Ungarn. Rückwärtsgewandte autokratische Staaten, denen Humanität und Menschenrechte gleich sind – zu häufig beklatscht von Frauen. Sie stellen sich mit ihrer puren Menschenverachtung zu Schau.

Aber auch der erschütternde Anschlag auf ein Schwulen-Lokal in Oslo am 26. Juni 2022 mit zwei Toten und 20 Verletzten oder die „Behandlung“ von 700.000 Schwulen in den USA mit einer bibelbegründeten „Konversionstherape“ zum „umpolen“ von Schwulen zeigen, dass auch hier im 21. Jahrhundert eine geistig-moralische Entwicklung auf sich warten lässt. Auch in Deutschland gab es Angriffe auf CSD-Events.

Im Widerstand gegen die Unterdrückung sagte Kulturministerin Claudia Roth (Die Grünen) auf der Abschlusskundgebung: „Wir lassen uns nicht unterkriegen, von keiner Pandemie, von keinem antidemokratischen Denken.“ Es sei auch „die Erinnerung an all die Kämpfe, die wir gekämpft haben.“ Und weiter: „Die Menschenwürde ist nicht heterosexuell, sie ist nicht männlich, nicht muslimisch, nicht christlich sondern sie ist unantastbar für jeden Menschen.“ Roth wies auch auf den russischen Krieg gegen die Ukraine, auch dort würden Menschen kämpfen, für ihr Überleben und für ihre Selbstbestimmung. „Deshalb versprechen wir: Wir vergessen euch nicht“ und bezog die Geflüchteten aus der Ukraine, Russland und Belarus mit ein.

Der russische Krieg gegen die Ukraine

Janine Wissler, frischgekürte Parteichefin der Linken unter großem Applaus: „Wir müssen solidarisch sein mit den Menschen in Russland, die gegen Putin demonstrieren, die gegen den Krieg aufstehen, die für die Opposition sind und die für die Menschenrechte für alle Menschen kämpfen, und solidarisch sein mit den Menschen in der Ukraine, die unter diesem Krieg leiden, die fliehen müssen, die Angehörige verloren haben und die um ihre Menschenrechte bangen. Das Notwendige ist, jetzt Druck auf Putin zu machen“. Sie forderte, die Sanktionen wirkungsvoll umzusetzen und einen Preisdeckel für das Erdgas zu regeln, um nicht die „Putinsche Kriegskasse“ zu füllen. Darüber dürfe man nicht die Flüchtlinge aus dem Irak, aus Syrien oder Afghanistan vergessen, die an den Ostgrenzen Europas festsitzen. Viele von ihnen sind als Schwule und Lesben verfolgt.

PS: An diesem freudvollen CSD-Zug durch Köln wurde fast vergessen: Am 3. Juli wurde der Journalist Julian Assange 51 Jahre alt. Er sitzt immer noch ein in einem Knast nahe London unter folterähnlichen Verhältnissen und seine Auslieferung an die USA rückt bedrohlich näher. Die konservative britische Innenministerin Priti Patel hatte dem am 17. Juni zugestimmt. Es handelt sich auch um eine Fragen von Menschenrecht. Wir erinnern uns: Grund war, dass Assange US-amerikanische Kriegsverbrechen im Irak mit Informationen aufgedeckt hatte, die ihm als Journalist zugespielt wurden. So viel zum Verständnis der Menschenrechte auf dieser Seite. Daran erinnerte Amnesty International mit einem Wagen zu ihrem 60jährigen Bestehen. (04.07.2022, Hans-Dieter Hey, Fotos: Berthold Bronisz, Hans-Dieter Hey)