Startseite » Politik & Gesellschaft » Ein Geißbock knabbert am städtischen Grün: die Expansionsgelüste des 1. FC Köln

Ein Geißbock knabbert am städtischen Grün: die Expansionsgelüste des 1. FC Köln

Lesezeit 5 min ~14 Bilder

Der 1. FC Köln ist eine über die Stadtgrenzen hinaus etablierte Institution im Rheinland. Seit der Gründung 1948 ist er trotz diverser sportlicher Höhen und Tiefen der führende Fußballverein in der Stadt und unterhält von der Profiabteilung bis zur U 8-Jugend aktuell 18 Mannschaften mit insgesamt 255 Spielern und 97 Spielerinnen.* Daneben gibt es eine Handball- und eine Tischtennisabteilung.

Köln rühmt sich auch für seinen Äußeren Grüngürtel, einem der größten zusammenhängenden Naherholungsgebiete, das eine Stadt mit über 1 Mio. Einwohnern vorweisen kann. Angelegt wurde dieses 800 Hektar große Waldgebiet in den 1920er Jahren. Zuvor bildete das Areal mit zahlreichen preußischen Forts und unbebautem Ackerland als freiem Schußfeld den westlichen Verteidigungsring der damals größten deutschen „Festungsstadt“.

Der damalige OB Konrad Adenauer wollte nach dem Ersten Weltkrieg mit der Aufforstung auch Forderungen der französischen Besatzungsmacht umgehen, die alten Festungsbauten zu schleifen, damit sie einer zivilen Nutzung erhalten blieben. Die so entstandene Parklandschaft umrahmt seitdem im Halbkreis die linksrheinischen Stadtteile und sollte der Naherholung, aber auch sportlichen Aktivitäten dienen. Für Großveranstaltungen entstanden damals das Müngersdorfer Stadion und eine mittlerweile stillgelegte Radrennbahn. Daneben wurde die Sporthochschule eingerichtet, wo ebenfalls öffentliche Wettkämpfe der Wasser- und Volleyballer stattfinden.

So durfte auch der 1.FC Köln 5 Jahre nach seiner Gründung ein neues Vereinsheim samt Trainingsflächen im Grüngürtel errichten. Auch andere Sportvereine sind im Grüngürtel ansässig und nutzen dabei teilweise die alten Festungsbauten: z. B. die Fußballer von Blau-Weiß Köln und dem FC Gebäudereiniger, die Leichtathleten des ASV, die Basketballer der Rheinstars, ein Reit- und ein Sportschützenverein. Dazu kommen zahlreiche Breitensportangebote: Frei- und Hallenbad, mehrere öffentliche Bolzplätze, Tennis-, Turn- und Skateranlagen, Bootsverleih, Minigolfanlagen und Kunsteisbahn.

Daneben ist der Grüngürtel aber auch Biotop und Rückzugsort für zahlreiche Pflanzen und z. T. selten gewordene Tierarten, vor allem bedrohter Insekten, und wichtiges Bollwerk gegen die Emissionen der an seinem Rand verlaufenden Autobahnen A 1 und A 4.

Die dem 1.FC Köln überlassene Fläche mit mehreren Trainingsplätzen und dem von den Amateur- und Jugendmannschaften genutzte Franz-Kremer-Stadion erstreckt sich auf 9,5603 Hektar. Dazu kommt das nach dem Vereinsmaskottchen benannte „Geißbockheim“ mit 4141 m2.Für das Vereinsheim gilt bis 2055 ein Erbpachtvertrag, nach dem der Verein jährlich 6956,88 € an die Stadt entrichtet. Ein 2008 fertig gestellter Erweiterungsbau für die Verwaltung schlägt mit 22795,20 € als jährliche Erbpacht für weitere 1143 m2 zu Buche. Für die übrige Fläche ist der Verein von der Miete befreit. Im Gegenzug verzichtet der 1.FC Köln auf die Fördergelder, die ihm für seine Jugendarbeit zustehen würden.

Im Zuge des Erweiterungsbaus hatte sich der FC schriftlich verpflichtet, keine weiteren Flächen des Grüngürtels zu bebauen und sich bei weiteren Baumaßnahmen auf bereits versiegelte Flächen zu beschränken.

2016 offenbarte der Verein neue Pläne, sein Trainingsgelände um ein 8 Meter hohes, 51 x 92 Meter messendes Leistungszentrum zu erweitern. Das Gebäude soll auf einem bestehenden Trainingsplatz entstehen. Für diesen soll eine etwas abseits der Waldwege gelegene, bisher frei zugängliche Wiese zu drei weiteren Trainingsplätzen umgewandelt werden.

Weiter nach dem Bilderblock!

Den Neubau rechtfertigt die Vereinsführung mit dem Argument, dass der bisherige Trainingsplatz ja mit Kunstrasen bestückt ist – und damit bereits als versiegelte Fläche gelte. Was sich für die Zukunft natürlich als Salamitaktik fortsetzen ließe: Fußballplätze auf Kunstrasen umgestalten, und später diese dann auch als „versiegelte Fläche“ bebauen.

Nach dem Bekanntwerden dieser Pläne kam es zu zahlreichen Bürgerprotesten: über 5000 Einwendungen zählte die Stadt gegen die Erweiterungen der Vereinsfläche zulasten der freien Flächen im Naturschutzgebiet. Was sich allein auf der vom Zugriff des FC betroffenen Wiese an Tier- und Pflanzenwelt angesiedelt hat, ist auf der Webseite https://wildeskoeln.de der Fotografin Cristina Krippahl zu sehen.

Die Bürgerinitiative Grüngürtel für alle und der Naturschutzbund NRW reichten gegen die Baupläne Klagen beim Oberverwaltungsgericht ein, das zunächst auch in deren Sinne entschied und so den Bebauungsplan ungültig machte. Der 1. FC Köln ging in Revision beim Bundesverwaltungsgericht, das die Urteile der Vorinstanz wieder aufhob und zur erneuten Entscheidung dorthin zurück verwies.

Der Bebauungsplan ist damit vorläufig wieder rechtmäßig – was den Verein und seine Fans in der Stadtverwaltung zur Eile antreibt: am 01.10.2024 soll der Neubau per Ratsbeschluss abgesegnet werden. Die ursprünglich avisierte, an der nördlich angrenzenden Gleueler Straße verlaufende Wiese soll dabei aber ausgeklammert werden. Stattdessen will der Verein einen bestehenden Aschenplatz im Grüngürtel nutzen und hat sich bei 2 benachbarten Sportvereinen, dem FC Gebäudereiniger (auch im Grüngürtel) und dem nahe der Stadtgrenze residierenden BC Efferen, Trainingszeiten gesichert. Diesen Vereinen will der FC dafür auch die Verbesserung der Spielflächen finanzieren.

Vorher kann man sich an Ort und Stelle selbst ein Bild der Örtlichkeiten machen – und wie sie verändert werden sollen: die BI Grüngürtel für alle lädt für Sonntag, 22.09.2024, zu einem Spaziergang mit Erläuterung ein. Los geht es um 15.00 Uhr ab der Fußgängerbrücke, die vom Beethovenpark über die Militärringstraße in den Grüngürtel führt. Dort gibt es auch Parkplätze.

Weitere Informationen über Verlauf und Stand der Sache finden sich auf der BI-Webseite https://unsergruenguertel.de.

*Zahlen entnommen aus der FC-Webseite