Start | Rubriken | Wirtschaft & Umwelt | Die Rodenkirchener Rheinbrücke: Abriss immer noch nicht vom Tisch

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Anachronismus der deutschen Verkehrsplanung: Unter dem Namen „A4plus“ verfolgt die bundeseigene Autobahn GmbH ein Verkehrsprojekt, das ökologischen und sozialen Sprengstoff birgt und im davon betroffenen Kölner Süden für Unmut sorgt – und zur Gründung der Bürgerinitiative „A4minus“ führte.

Worum es geht: die Autobahn A4 von Olpe nach Aachen, die einen großen Teil des Kölner Autobahnrings bildet, soll nach Plänen aus 2016 auf dem Teilstück zwischen den Autobahnkreuzen Gremberg (rechtsrheinisch) und Köln-Süd (links) von jetzt 6 auf 8 Spuren verbreitert werden. Dazu soll die denkmalgeschützte, über den Rhein führende Rodenkirchener Brücke abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Zudem müssten einiges an fruchtbarem Ackerboden, etliche an der Strecke liegende Kleingärten, Sportanlagen, ein Campingplatz sowie ein großer Streifen des Grüngürtels, einem in den 1920ern vom Kölner OB Konrad Adenauer angelegten Naherholungsgebiet, dem Asphaltband weichen. Ebenfalls weiter angeknabbert würde das schon jetzt zwischen Autobahnauffahrten, Fernbahn, Güterbahnhof und einer vierspurigen Straße eingepferchte Gremberger Wäldchen, dem ältesten Buchenwald der Stadt – der seit Jahren mit EU-Steuergeldern als naturnaher Wald gefördert wird.

Wir berichteten hierüber schon am 19.01.2021:

https://archiv.r-mediabase.eu/noch-ein-brueckendrama-am-rhein/

Am 14.03.2024 lud die BI A4 minus noch einmal zu einer Informationsveranstaltung mit anschließender Diskussion im Köln-Westhofener Bürgerzentrum Engelshof ein. Vor etwa 70-köpfigen Publikum erläuterten Peter Eisenhofer und Petra Heller den Stand der Dinge und machten dabei die Fragwürdigkeit des Projekts deutlich:

  1. Vorbild für die ganz aus Stahl gebaute Brücke war die Golden-Gate-Brücke in San Francisco/USA aus dem Baujahr 1936, die unter regelmäßiger Pflege und Wartung ebenfalls immer noch ihren Dienst versieht und dabei eine Landmarke mit identifikationsstiftender Bedeutung darstellt – was auch für die Rodenkirchener Brücke in ihrem Umland gelten sollte.
  2. Die bestehende Brücke ist konzipiert für 150.000 Fahrzeuge pro Tag. Kommt es trotzdem zu Staus, liege dies an Engstellen in den Autobahnkreuzen Gremberg und Köln-Süd.
  3. Mittlerweile wird der Neubau deshalb mit dem angeblich zunehmenden Lkw-Verkehr begründet. Nach statischen Berechnungen belaste ein Schwerlastwagen die Brücke so stark wie 30.000 Pkws (wobei im Zeitalter der 2,5 t-SUV das Verhältnis wahrscheinlich etwas modifizierter aussehen dürfte). Aber: trotz der jahrelangen Mehrbelastung durch Sperrung der alten Leverkusener Brücke für den Lkw-Verkehr von +50 % sei die Brücke immer noch in gutem Zustand. Bezeichnenderweise sei der ältere, genietete Brückenteil aus dem Baujahr 1954 sogar noch besser erhalten als der geschweißte Erweiterungsanbau von 1994.
  4. Das für den Brückenzustand zugrunde liegende Gutachten sei vom selben Ingenieurbüro erstellt, das auch den Neubau konzipieren sollte.
  5. Dass die bestehende Brücke dem zunehmenden Verkehr nicht standhalten soll, werde in diesem Gutachten nach dem Lastmodell der 60/30-Norm errechnet. Dabei wird von der Situation ausgegangen, dass auf der Brücke ein 60-Tonner von einem 30-Tonner überholt würde. Aber: die Zulassung von 60-Tonnern, der sogenannten Giga-Liner, sei längst vom Tisch, so dass diese Modellrechnung nicht mehr zeitgemäß wäre.
  6. Im Gutachten werde weiter behauptet, dass eine Verstärkung der bestehenden Brücke unter laufendem Verkehr nicht möglich sei. Auf die Möglichkeit, die Verstärkung unter Einschränkung nur des Lkw-Verkehrs durchzuführen, sei aber darin gar nicht eingegangen worden.
  7. Ebenfalls unberücksichtigt blieben die Bestimmungen des Denkmalschutzes. Die für dessen Wahrung zuständige Bezirksregierung Köln habe deshalb von der Autobahn GmbH schon eine Überprüfung der Planung gefordert.
  8. Ebenso fehlen in der Planung die für den Klimaschutz erforderliche Darlegung der CO2-Bilanz. Dieser müsste die beim Bau entstehenden Emissionen und entsprechende Ausgleichsmaßnahmen auflisten.
  9. Die veranschlagten Kosten für dieses Projekt sind mittlerweile von 246 Mio. auf über 700 Mio. E gestiegen. Es werde schon mit realen Kosten von über 1,1 Mrd. € gerechnet.
  10. Das Projekt stehe in eklatantem Widerspruch zu den Verkehrs- und Klimazielen der EU und könnte zu kostenaufwändigen Prozessen der EU-Gerichtsbarkeit führen.
  11. Die Überprüfung von Verkehrsprojekten dieser Größenordnung ist im Abstand von je 5 Jahren gesetzlich vorgeschrieben. Auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ist dies vorgesehen – in diesem Fall ist die Prüfung aber schon 2 Jahre überfällig. „Was Verkehrsminister Wissing nicht in den Kram passt, das macht er einfach nicht – Koalitionsvertrag hin oder her“, so Eisenhofer.

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In der anschließenden Diskussionsrunde kamen auch drei Lokalpolitiker des Kölner Stadtrats zu Wort. Max Pargmann (Volt) verwies auf wissenschaftliche Studien, wonach jede Straßenverbreiterung mittelfristig zu mehr Autoverkehr führe – und so die Stauverringerung sehr schnell wieder hinfällig werde, was solche Projekte gerade im Hinblick auf die notwendige Verkehrswende sinnlos erscheinen lasse.

Lukas Lorenz (SPD) wies darauf hin, dass der Kölner Stadtrat bereits einen Beschluss gefasst hat, sich für den Erhalt der Brücke einzusetzen. Es werde u. a. eine Klage gegen das Planfeststellungsverfahren erwogen. Er stellte auch die Behauptung in Frage, eine Brückenverstärkung unter laufendem Verkehr sei nicht möglich. Die derzeitigen Arbeiten an der Mülheimer Brücke im Kölner Norden, über die sogar Straßenbahnverkehr läuft, bewiesen das Gegenteil.

Sylvia Laufenberg (FDP) plädierte zunächst tatsächlich für den Abriss – mit der Begründung, dass jede Brücke nur eine begrenzte Lebensdauer habe und deshalb schon jetzt für die Zukunft geplant werden müsse, um eine ähnlich dramatische Situation wie um die Leverkusener Brücke zu vermeiden. Sie musste anhand der Gegenargumente aber eingestehen, dass zumindest die unterbliebenen Aspekte bei der Begutachtung und Planung nachgeholt werden müssten – und versprach, sich dafür auch in ihrer Partei einzusetzen. Ihr Auftritt und die verhältnismäßig gelassene Reaktion des Publikums zeigte immerhin, dass ein fairer Meinungsaustausch in diesem Land immer noch möglich ist.

Weitere Informationen hier:

https://www.a4minus.de

https://www.buendnis-verkehrsinitiativen.com