Tatort Die Krupp’sche Villa Hügel


Ein Betriebsrat meinte 1955, dass “die Krupps leider Gottes in aller Welt, bis zum letzten Buschklepper, als die Kanonenkönige berüchtigt waren”. Das begann bereits im 17. Jahrhundert als die Dynastie mit Waffen handelte. Als größer Waffenproduzent seiner Zeit wurden seine Artilleriegeschütze erfolgreich gegen den „natürlichen Feind“ Frankreich im Deutsch-Französischen Krieg 1870 bis 1871 eingesetzt. Im Jahr 1912 lobte der Medien-Mogul, Erfinder der Pressekontrollbehörde und spätere Hitler-Unterstützer Alfred Hugenberg auf der Kruppschen Einhundertjahrfeier in der „Kanonenstadt“ Essen die Krupps: “Zu den Tugenden unseres Volkes, die es zu erhalten gilt, wenn es jung und kräftig bleiben soll, gehört auch die alte germanische Wehrhaftigkeit und Waffenfreude.” Kaiser Wilhelm II (seit 1907 Pate von Alfried Krupp) war in Krupps Palast „Villa Hügel“ gern und öfter zu Besuch, weil sich die politischen und kriegerischen Ziele glichen. Im Ersten Weltkrieg hatte die Kanone „Dicke Berta“ 350 Treffer auf Paris. Im II. Weltkrieg wurde der Krupp-Konzern zum „Wehrwirtschaftsführer“. Neben Schuhcreme, Brücken, LKW, Eisenbahnen und vielen anderen „Friedensprodukten“ betrug die Waffenproduktion 26 Prozent der Gesamtproduktion. Zum Einsatz bei Sewastopol kam das 80-cm-Geschütz „Dicker Gustav“, gegen Brest-Litowsk der 60-Zentimeter-Mörser „Thor“ neben Feldhaubitzen, Panzerabwehrraketen, Marinegeschützen, Panzerplatten, „Tiger“-Panzer, U-Boten und Kriegsschiffen. Produziert wurde mit 100.000 „Kruppianern“, von denen 40 Prozent versklavte Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge waren. Auf dem Kriegsverbrechertribunal im Nürnberger Prozess wurde Alfried Krupp und 10 seiner Direktoren verurteilt. Krupp zu 12 Jahren wegen „Plünderung und Zwangsarbeit”, sein Vermögen wurde eingezogen. Bis 1951 folgten Begnadigungen auf breiter Front. Alfried Krupp von Bohlen und Halbach wurde von den Siegermächten aufgefordert, den Konzern nach dem Entflechtungsgesetz Nr. 27 zu zerschlagen und zu verkaufen. Dass Alfried Krupp der Rüstungsproduktion – weniger moralisch als aus Profitgründen – nicht unbedingt zustimmte, hat ihm dabei nichts genutzt: „Eine akute Rüstungsperiode mit anschließendem Krieg dauert in der Regel zehn Jahre: sechs Jahre Rüstung, dann vier Jahre Krieg, und dann ist der Krieg verloren. Mit den vier Bänken fangen sie an, im letzten Kriegsjahr müssen sie noch eine Menge weiterer Maschinen anschaffen, und am Ende des Krieges haben sie einen riesigen Maschinenpark, mit dem sie nichts anfangen können.” Nach dem Krieg ging alles weiter. Nach einem Gespräch zwischen Kanzler Konrad Adenauer, seinem persönlichen Berater Hans Globke, Walter Hallstein und dem Krupp-Generalbevollmächtigten Berthold Beitz konnte nur noch der Krupp-Torso gerettet werden. Im Jahr 2018 produzierte der ThyssenKrupp-Konzern für 1,64 Mrd. Euro Rüstungsgüter, das waren drei Prozent vom Gesamtumsatz.