Alt-Katholiken – wer sind die ?


Eine Podiumsdiskussion über die und mit den Alt-Katholiken im NS-Dokuzentrum Köln – wie gehört das zusammen?

Alt-Katholisch klingt nach Vorgestern, dabei präsentiert sich diese Kirche weitaus moderner als die „große“ römische Konkurrenz: kein Zölibat, keine Abhängigkeit von einem zentralen Überbau, Priesterweihe für Frauen, Trauung Geschiedener und gleichgeschlechtlicher Paare, Abendmahl auch für Gäste aus anderen (christlichen) Kirchen – dort alles längst gelebter Alltag.

Ein Schatten in der nun über 150-jährigen Geschichte bildet allerdings die Haltung der Kirchenführung während der Nazidiktatur in Deutschland. Lange Zeit wurde dies nicht aufgearbeitet. Deshalb also am 07.03.2024 die Informationsveranstaltung mit Diskussion im Kölner NS-Dokuzentrum. Teilnehmer waren der Alt-katholische Bischof Dr. Matthias Ring, der in seiner Dissertation diese Aufarbeitung nachgeholt hatte, und Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland – fast schon ein Nachbarschaftstreffen, denn in Köln stehen die alt-katholische Kirche und die Synagoge an der Roonstraße nur etwa 300 Meter voneinander entfernt.

Der Name, zunächst einmal, ist Überbleibsel aus der Entstehung: 1870 verkündeten die römisch-katholischen Kirchenoberen das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes. Der damalige Amtsinhaber, Pius IX., hatte zuvor mit Gründung des italienischen Nationalstaats seine weltliche Macht über den Kirchenstaat verloren und brauchte anscheinend ein Trostpflaster fürs Ego.

Ein kleiner Teil der Gläubigen machte diese „Neuerung“ nicht mit und wurde deshalb exkommuniziert, zu deutsch rausgeworfen, und schloss sich zunächst nach den vorherigen Regeln zusammen – deshalb also “alt-katholisch”. Heute zählen die auf Landesebene organisierten, sich gelegentlich „alt(ernativ)-katholisch“ nennenden Kirchen in Mitteleuropa um die 60.000 Mitglieder, davon etwa 16.000 in Deutschland.

Anders als in einigen anderen Kirchenkreisen, in denen Juden als „Gottesmörder“ verunglimpft wurden, waren den Alt-Katholiken solch antisemitische Ansichten eigentlich fremd, so Bischof Ring. Noch 1932 sei einer ihrer Priester wegen einer Predigt mit antijüdischem Inhalt vom damaligen Bischof gemaßregelt worden.

Nachdem aber die römisch-katholische Konkurrenz schon 1930 Nationalsozialisten die Sakramente verweigerte, erhofften sich manche unter den sich nach außen unpolitisch gebenden Alt-Katholiken eine Chance zur Profilierung und Mitgliedergewinnung. Auch kam die nationalstaatlich aufgebaute Organisation dieser Kirche den Vorstellungen der braunen Machthaber entgegen. Erfolge verbuchte man bei diesen Bestrebungen aber fast nur in den Kohle- und Stahlrevieren an der Ruhr und in Oberschlesien.

Mit der Wahl von Erwin Kreuzer zum Bischof im Jahr 1935 kamen antisemitische Tendenzen dann stärker zum Vorschein. In manchen seiner Äußerungen, von denen er auch später nicht Abstand nahm, sprach dieser von „ungesunder Rassenvermischung“ und dem „jüdischen Einfluss auf die deutsche Kultur“, den er negativ bewertete. (Wikipedia)

Nach 1945 wurde zwar ein Pfarrer wegen seiner Nähe zum Nationalsozialismus entlassen, eine fundiertere Aufarbeitung wurde jedoch lange hinausgeschoben. Auch heute halten sich die alt-katholischen Institutionen mit politischen Positionierungen zurück: zu einem Bischofswort gegen die AfD konnte man sich bis jetzt nicht durchringen.

Abraham Lehrer schlug in seinen Diskussionsbeiträgen denn auch einen Bogen zur Gegenwart, in der auf deutschen Schulhöfen „du Jude“ schon wieder als Schimpfwort gilt – von Kindern, die oft noch keinen einzigen eigenen Kontakt zu Juden hatten. Und die Hoffnung, dass vor jüdischen Einrichtungen in Deutschland einmal der Polizeischutz abgezogen werden kann, hat Lehrer mittlerweile aufgegeben. Er wünscht sich deshalb einen stärkeren Austausch unter den Kulturen und vermittelt Schulungen und Verhaltenstipps für Lehrer durch die Gedenkstätte Yad Vashem, um solchen Strömungen entgegenzuwirken – und so eine gute Nachbarschaft zu erhalten.

Ein Kulturereignis der (für ein religiöses Zentrum) ungewöhnlichen Art bietet die alt-katholische Kirche in Köln, Ecke Roonstr./Jülichstr. am Freitag, den 15.03.: dann wird der einstmals umstrittene Film „Das Leben des Brian“ gezeigt.

Matthias RingKatholisch und deutsch. Die alt-katholische Kirche Deutschlands und der Nationalsozialismus. Alt-Katholischer Bistumsverlag, Bonn 2008, ISBN 978-3-934610-35-4.