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Berlin: Bündnis fordert „sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft“

Hans-Dieter Hey

Am 22. Oktober gingen in Berlin unter dem Aufruf „Klimakoalition jetzt!“ erneut tausende Demonstrierende eines breiten Bündnisses von 80 Organisationen für „eine sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft“ auf die Straße. Die Parteizentrale der SPD wurde besetzt. Es wird nämlich immer klarer, wie verheerend die Bilanz von 16 Jahren Kanzlerinnenschaft von Angela Merkel durch Aussitzen der Probleme war. Jetzt soll der Druck auf die Verhandlungspartner der neuen Koalition steigen, denn bisher wird zu wenig geliefert. Mehr hier!

Zu wenig zur Erreichung der 1,5-Grad-Grenze verhandelt

Während der Verhandlungsrunde von SPD, Grünen und FDP zeigt sich, dass bisher keine echte Antwort auf die unsere Existenz bedrohenden Entwicklungen gefunden wurde, klagt #Fridays-For-Future. Die kleine FDP hat sich am deutlichsten durchgesetzt. Im Ergebnis der Bundestagswahlen wurde sie mit Christian Lindner als Königsmacher an die Oberfläche gespült, die in Sachen Klimapolitik aber auch in der bisher kaum thematisierten Debatte der sozialen Verträglichkeit eine bremsende Rolle spielt.

Es ist daher fraglich, ob die 1,5-Grad-Grenze und Klimaneutralität bis 2035 erreicht werden. Von Christian Lindner, der zur Lösung allein auf Technik und Wachstum setzt, wird einfach ignoriert, dass wir zum einen dieses Wachstum der Vergangenheit nicht mehr haben können, zum anderen, dass uns Wachstum eben genau diese ökologischen Probleme beschert hat. Denn „es zehren die mit ihm verbundenen ökologischen und sozialen Destruktionskräfte den (Anm. bisherigen) Wohlfahrtsgewinn nicht nur auf (…), sondern kumulieren sich bis hin zu Schwellenwerten, an denen eine irreversible Destabilisierung globaler Ökosysteme einsetzt.“ 1) SUVs können daher nicht die Antwort für die Zukunft sein. Sprecherin des „Bürgerat Klima“, Rabea Koss: „Dass die Bürgerinnen und Bürger für ambitionierten Klimaschutz längst bereit sind, haben die Empfehlungen des Bürgerrats Klima gezeigt“ (ND 22.10.2021). Gewählt hatten sie allerdings nicht mutig genug.

Radikale Marktknechte auf dem Vormarsch

Durch Lindners Verweigerung einer modernen Finanzpolitik, einer zukunftsführenden Verschuldung oder einer Lastenverteilung durch gerechte Besteuerung zur Finanzierung der enormen Herausforderungen steht zu befürchten, dass die Finanzierung von jährlich bis zu 100 Mrd. Euro nicht gesichert werden kann und das entstandene finanzpolitische Chaos allein zu Lasten der Mitte der Gesellschaft und des ärmeren Teils der Bevölkerung geht. Doch wer dem Neoliberalismus wie SPD und FDP als „politisches Projekt zur Zertrümmerung des Wohlfahrtsstaates“ das Wort redet, erkennt nicht diesen Epochenumbruch als Scheideweg „by design oder desaster“. 2) Selbstverständlich wird die Wirtschaft für den Wandel gebraucht, aber ohne sozialen Ausgleich kann der Umbruch nicht erfolgreich werden. Selbst der BDI hält das bisher verhandelte für nicht ausreichend, und hat in seiner Studie „Klimapfade 2.0“ schon mal vorgelegt, was das kosten kann: 860 Mrd. Euro. Das wird Lindner beantworten müssen. 3)

Würde bieten ist nett, soll aber nichts kosten

Das geplante Bürgergeld für Millionen Menschen, das Hartz IV ersetzen soll, könnte sich als neues Hartz V erweisen und damit weiter zur Verarmung und sozialen Spaltung beitragen. Für das Bürgergeld hatten sich vor allem FDP und die SPD als Erfinder und mit Befürwortung von Kanzlerkandidat Olaf Scholz von Hartz IV eingesetzt. Aus der Sondierungsrunde heißt es, das Bürgergeld soll „die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein“. Geschwurbel! Wer die Behandlung der Menschen in Pflegeberufen verfolgt hat, dürfte mitbekommen haben, dass Würde nichts kosten darf. Arbeiter im Automobilbereich verdienen da mehr. Die Gesellschaft muss entscheiden, was für sie wichtig ist. Kürzlich wurde der Hartz-IV-Satz um 3,00 Euro monatlich erhöht, und man kann sich leicht vorstellen, wie die Zukunft für die Parias in diesem Land aussehen dürfte. Wie hoch die Rente dann sein wird, kann sich auch jeder ausmalen.

So rächt sich, dass die Linke als soziales Korrektiv mit ihren Forderungen nach einem sozial-ökologischen Wandel fast aus dem Parlament gewählt wurde. Am 24. Oktober finden daher weitere Aktionstage und Demonstrationen „SolidarischGehtAnders“ statt, bei denen man „zusammen mit antirassistischen, sozialen und klimaaktivistischen Gruppen für eine sozial-ökologische Transformation auf die Straße gehen“ will. Dabei wieder Umwelt- und Klimabewegungen wie „Fridays for Future“, „Extinction Rebellion“, „Ende Gelände“ oder soziale Bewegungen wie „Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen“.(22.10.2021, Hans-Dieter Hey, Fotos: Margita Görner, Rudi Denner)

1) Klaus Dörre, Die Utopie des Sozialismus – Kompass für eine Nachhaltigkeitsrevolution, Verlag Matthes und Seitz, Berlin, 2021
2) Raul Zelik, Wir Untoten des Kapitals – Über politische Monster und einen grünen Sozialismus, Edition Surkamp, 2020
3) Ein interessanter Artikel zur Finanzierung von Simon Zeise in der Jungen Welt vom 26.10.2021

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