Aktualisiert: 8. Mai in Köln: Schwieriges Gedenken für die Ukraine


Am 8. Mai fand – wie an vielen anderen Orten – in Köln eine Demonstration mit ca. 1000 Teilnehmern gegen den russischen Angriffskrieg am 24. Februar gegen die Ukraine statt. Sie begann um 15 Uhr an der Deutzer Werft und endete am Heumarkt. Das Datum soll zudem an das Ende des II. Weltkriegs am 8. Mai 1945 erinnern, dem Tag der deutschen Kapitulation gegenüber den Siegermächten. Mit einem Unterschied: Das Gedenken daran ist in diesem Jahr schwieriger geworden im Zeichen von Kriegsrhetorik, Aufrüstung und russischem Vernichtungskrieg gegen die Ukraine. Besonders laut wurde der Ruf “Ukraine ist Europa” skandiert. Gefordert wurde unter anderem mehr militärische Unterstützung.

Eine Ansprache als Auftakt der Veranstaltung hier! Der Bericht eins Arztes, der eine ukrainische Familie betreut hier, und die Ansprache der Kölner Oberbürgermeisterin Annemarie Reker hier!

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KOMMENTAR

Kriegsgerät gegen Verhandlungen

Vor Wochen hätte man noch denken können, dass der zurückhaltende Bundeskanzler Olaf Scholz den berühmten ZEN-Spruch verinnerlicht habe: „Wir haben sehr wenig Zeit, wir müssen sehr langsam vorgehen“. Nach längerem Vortasten und in Absprache mit den Bündnispartnern war es damit vorbei, als der Deutsche Bundestag am 26. April die Lieferung auch schweren Kriegsgeräts an die Ukraine beschloss – gegen den heftigen Protest von Friedensbewegten, Linken und gegen manche öffentlichen Briefe.

Dort wird insinuiert, die Ukraine solle auf Gebiete verzichten und die weiße Fahne hissen, um noch mehr Leid und sinnloses Blutvergießen zu vermeiden. Außerdem käme der Diktator Putin ohnehin in der Ukraine militärisch nicht wirklich voran. Auf der anderen Seite wurde argumentiert, ob mehr Waffen den Kremlführer eher dazu bewegen könnten, in Verhandlungen mit der Ukraine zu treten.

Weltfremdheit gegen Realität?

Angesichts der brutalen russischen Aggression entbehrt es nicht einer gewissen Weltfremdheit, wenn Friedensbewegte von „einer Instrumentalisierung des russischen Angriffs für eine Rüstungspolitik Deutschlands…“ sprechen. Ein Widerspruch in sich! Denn inzwischen ist klar, dass es mit dem militärischem Selbstschutz der Bundesrepublik nicht weit her ist. Über das Ausmaß der Aufrüstung wäre allerdings zu diskutieren, bezieht man die NATO mit ein, aber vor allen Dingen, wenn über eine künftige eigenständige Verteidigungspolitik in Europa nachgedacht werden muss.

Die Forderungen nach ernsthaften Verhandlungen ehrt die Friedensbewegung, ignoriert allerdings, dass bisher alle diplomatischen Bemühungen gescheitert waren. Man erinnere sich an die kürzliche Brüskierung von UN-Generalsekretär António Guterres anlässlich eines Vermittlungsbesuchs im Kreml. Letztendlich geht es dem Kremlführer mit faschistischen Anleihen darum, weit mehr an „Einflusszonen“ für sein halluziniertes großrussisches Reich zu erobern. Dafür ist die Ukraine, vor allem der Süden und Osten, von zentraler Bedeutung, um die – so Putin -„geopolitische Katastrophe“ nach dem Zerfall der UDSSR – wieder auf einen angeblich „natürlichen“ Urzustand zu bringen.

Doch – im ersten Fall – wird die Ukraine (und u.a. das gefährdete Moldawien) dabei nicht mitmachen, ein dauerhafter Frieden würde so ohnehin verunmöglicht. Friedensbeschwörungen hin – Verhandlungswünsche her. Die Ukraine will – wie im zweiten Fall – bis aufs Messer ihre Freiheit und Souveränität verteidigen und den „Preis“ für eine Verhandlung mit Russland erhöhen. Es sei daran erinnert, dass vor allem Linke immer das Selbstbestimmungsrecht der Völker betonten und für manchen Befreiungskampf auch Waffenspenden organisiert hatten. Im Bedarfsfall jedenfalls, wenn es ideologisch passte.

Völkerrecht gegen Aggression?

Der Widerstand gegen den Aggressor steht der Ukraine angesichts von Genozid, Vertreibung und Zwangs-Assimilation nach dem Völkerrecht auch zu, einschließlich der Unterstützung durch schweres Kriegsgerät. Einflusszonen – wie Putin sie sich in seinem verrückten Weltbild ausmalt – kennt das Völkerrecht nicht. Es kennt Verträge. Und die sind – pacta sunt servanda – eben einzuhalten. Doch Verträge interessierten Putin bisher kaum. Die Krim wurde widerrechtlich annektiert und die Ostukraine 2014 ebenso widerrechtlich angegriffen, das Minsker Abkommen wurde gebrochen, wie viele Verträge durch Putin zuvor auch.

Ein Waffenstillstand und – im besten Fall – ein Friedensabkommen kann nur gelingen, wenn Krieg und Sanktionen für Russland zu teuer werden und in keinem Verhältnis mehr zum Erfolg stehen. So furchtbar alles auch ist! Davor läge die russische Anerkennung der Souveränität der Ukraine ohne wenn und aber. Das liegt im Interesse aller europäischer Staaten, vor allem im Osten und im Baltikum. Zu groß ist ihre Angst, dass Russland in seinem imperialen Wahn weitermachen könnte. „Versprochen“ hatte er es bereits und manche seiner Hofschranzen aus der Duma fordern es gegenwärtig. Die Gefahr würde für ganz Europa wachsen, würde man nicht das militärische Stoppschild aufstellen.

„Ippon“

Deshalb muss die Ukraine auch mit schwerem Kriegsgerät unterstützt werden gegen einen aus der Zeit gefallenen Aggressor, der an einer europäischen Friedensordnung kein Interesse hat, es sei denn, er herrscht dieser vor. Doch wer in Europa will das mit diesen Vorzeichen. Inzwischen werden Stimmen laut, dass eine europäische Friedensordnung nicht mit Russland – wie es das Glaubensbekenntnis bisher wollte – sondern auch ohne Russland als möglich erwogen wird, weil sich Putin selbst aus dieser Diskussion katapultiert hat.

Gegenwärtig sieht es für den russischen Vormarsch nicht gut aus. Dem Judo-Kämpfer Putin, der seit Kindesbeinen nur Sieg oder Niederlage verinnerlicht hat, kann man vielleicht jetzt schon den Punktverlust vorhalten: „Ippon“ – du hast den Kampf verloren. Verloren hat damit auch ein von ihm ökonomisch heruntergewirtschaftetes, korruptes, von Oligarchen unterstütztes und die Menschen indoktrinierendes Unterdrückungssystem gegen ein – wenigstens mit vielen hoffnungsvollen Ansätzen – zivilisiertes Europa. Wer möchte da schon wechseln! (08.05.2022, Kommentar und Fotografien von Hans-Dieter Hey)