Einladungstext DDR Fotoerbe:
Blickwechsel: Ost-Berlin und die DDR aus der Sicht von Pressefotografinnen
Die von uns kuratierte Ausstellung „Blickwechsel: Ost-Berlin und die DDR aus der Sicht von Pressefotografinnen“ zeigt vom 01. bis 31. August 2024 beeindruckende Arbeiten ostdeutscher Fotografinnen. Die vom Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur geförderte Ausstellung im Campus für Demokratie beleuchtet die Zeit zwischen 1970 und 1990 und hebt die Vielfalt und Individualität der fotografischen Interpretationen dieser Ära hervor.
In der DDR war die Rolle der Frauen in den Medien, einschließlich der Pressefotografie, von Widersprüchen geprägt. Obwohl die offizielle Propaganda die Gleichstellung der Geschlechter betonte, waren Frauen in den journalistischen Berufen oft in den unteren Hierarchieebenen konzentriert. Ihre fotografischen Aufträge wurden häufig auf „weibliche“ Themen wie Familie und Kultur beschränkt, während Männer politische und wirtschaftliche Themen dominierten. Diese Ausstellung will dieses Ungleichgewicht korrigieren und stellt die Werke von vier Pressefotografinnen vor: Marion Klemp, Gabriele Senft, Martina Kaiser und Waltraud Grubitzsch.
Marion Klemp, die, nach einem Volontariat bei ADN-Zentralbild und der Arbeit bei der BZ am Abend, von 1984 bis 1988 als Fotografin am Schauspielhaus Berlin tätig war, schuf empathische Porträts von Musikern wie Leonard Bernstein und Miriam Makeba und zeigte gleichzeitig das Leben in der Hauptstadt der DDR. Die Fotografin Gabriele Senft dokumentierte als Bildjournalistin bei ADN-Zentralbild in Berlin ab September 1975 bis 1990 vor allem das kulturelle Leben in der DDR. Das umfasste Initiativen von Künstlern und Volkskunstschaffenden aller Kunstbereiche der DDR und ebenso von ins Land kommenden Künstlern und deren Ausstellungen. Sie engagiert sich bis heute sozial und hinterfragt mit ihren Bildern gängige Muster. Martina Kaiser, Mitglied der Gruppe Jugendfoto Berlin, zeigte in ihren Arbeiten für die DDR-Frauenzeitschrift FÜR DICH den Alltag werktätiger Frauen mit großer Authentizität und Empathie. Im Jahr 1987 wurde der Druck auf die Fotografin mit dem kritischen Blick immer größer und gemeinsam mit ihrer Familie verließ sie die DDR und reiste in die Bundesrepublik aus. Waltraud Grubitzsch, eine der ersten Frauen bei ADN-Zentralbild, wurde 1977 mit dem 2. Preis in der Kategorie Humor des internationalen World Press Photo ausgezeichnet. Im Archiv der bis heute publizierenden Leipziger Fotografin finden sich neben eindrucksvollen Bildern der berühmten Montagsdemonstrationen viele Alltagsbilder und Porträts von Persönlichkeiten aus Kunst, Politik und Wirtschaft.
Im Rahmen der Ausstellung findet ein Fotografinnengespräch statt, das unter anderem die Herausforderungen thematisieren soll, denen die Fotografinnen in einem männerdominierten Umfeld begegnet sind. Es stellen sich darüber hinaus auch Fragen zur Existenz eines spezifisch weiblichen Blicks in der Fotografie, zu geschlechtsspezifischen Einschränkungen in der DDR und zur Wahrnehmung ihrer Arbeit. Moderiert wird das Gespräch von Prof. Annette Vowinckel vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam.
Das Gespräch findet am 01. August 2024 im Rahmen der Vernissage zur Ausstellung statt. Beginn der Vernissage ist um 18 Uhr, gefolgt von dem Fotografinnengespräch um 19.30 Uhr, Das Podiumsgespräch wird in Kooperation mit dem Bundesarchiv, Stasi-Unterlagen-Archiv organisiert.
Die Ausstellung ist auf dem ehemaligen Gelände des Ministeriums für Staatssicherheit, Ruschestraße 103, 10365 Berlin, Haus 22 (nicht barrierefrei), zu sehen. Öffnungszeiten sind täglich von 10 bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei.
Ausstellungsdauer: 01.08.2024 bis 31.08.2024
Ort: Campus für Demokratie, Ruschestraße 103, 10365 Berlin, Haus 22, Eintritt frei
Vernissage: 01.08.2024 um 18 Uhr
Podiumsgespräch: 01.08.2024 um 19.30 Uhr (Anmeldung unter kontakt@ddrfotoerbe.de)
Hinweis: Der Ausstellungsort ist nicht barrierefrei.
Vernissage
Die Akteurinnen
Biographische Hinweise zu den Fotografinnen
Einige Bilder
Die Geschichte der „Frotteezwerge“
Podiumsdiskussion mit Waltraud Grubitzsch, der Moderatorin Annette Vowinckel, Marion Klemp und Matina Kaiser
Fotografie in der DDR, Veranstaltungsort und Erinnerungs- und Geschichtspolitik – eine Anmerkung
Eine Ausstellung wie „Blickwechsel: Ost-Berlin und die DDR aus der Sicht von Pressefotografinnen“ hat durch ihren Inhalt stets einen Bezug zur weiterhin umkämpften Erinnerungs- und Geschichtspolitik um Thema DDR. Veranstaltungsort und Förderer der Ausstellung stehen dabei für die offizielle westdeutsch dominierte „DDR-Aufarbeitung“, die vielen Menschen, die in der DDR gelebt hatten, nicht fair erschien, um es zurückhaltend zu formulieren. In seinem Buch „Ungleich vereint“ kommt Steffen Mau zu diesem Ergebnis: „Eine differenzierte Diskussion über die vielen Graustufen des Lebens im DDR-Sozialismus kam zumindest in den 1990ern und bis in die 2000er Jahre hinein nicht in Gang“ (S. 55). Aus Sicht des hier berichtenden „Wessie“ (Jahrgang 1949) ist diese Ausstellung ein Beitrag zu einer solchen differenzierten Diskussion, die hier ausstellenden Fotografinnen zeigen dazu ihre Bilder, die auch unter den Rahmenbedinungen dieser Ausstellung für sich sprechen.
Die Arbeit von DDR Fotoerbe wirkt für mich insgesamt als materialorientierter Beitrag zu dieser überfälligen Diskussion.
Klaus Peter Wittemann